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Digital Innovation Playbook – eine Bedienungsanleitung zum „Innovativ sein“ für Personaler

27. Januar 2017

Anmerkung: Eine gekürzte Fassung dieser Buchrezension wurde in der Januar-Ausgabe der Personalwirtschaft (S. 78-79) veröffentlicht.

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Groß und mächtig schwer kommt es daher. Der Einband in kanariengelber Signalfarbe. Der Titel in einer Schriftgröße, die nicht mehr in der Dropdown-Auswahlliste von Word zu finden ist. 311 Seiten voller Erklärungen, Anleitungen und Formatvorlagen zum agilen Arbeiten. „Digital Innovation Playbook“ steht auf der Vorderseite geschrieben. Weiter heißt es: „Das unverzichtbare Arbeitsbuch für Gründer, Macher und Manager“.

Nun könnte man zynisch sein oder den Autoren, die allesamt bei der Innovationsberatung Dark Horse arbeiten, wenigstens einen guten Sinn für Humor unterstellen. Ein rund zweieinhalb Kilo schweres Buch mit den Schlagwörtern „digital“ und „Innovation“ zu versehen kann durchaus als gewolltes Paradoxon betrachtet werden.

Gleichzeitig kommt es mit einer Funktionsbeschreibung daher, welche dem geneigten Leser zunächst erklärt, wie das Buch zu handhaben ist. Nun könnte man meinen, dies sei ebenfalls ein No-Go, gerade in Zeiten, in denen die Nutzerfreundlichkeit und der One-Click-Button Hochkonjunktur haben. In diesem Fall ergibt diese Hilfestellung jedoch Sinn. Das Werk ist in jeder Hinsicht ein Buch gedacht zum Arbeiten, liefert es doch mit all seinen ausfüllbaren Tabellen, Matrizen und Feldern genügend Material zum ganz konkreten Anwenden. Bisweilen gehen die Autoren zu weit: Eine detaillierte Aufzählung der in Workshop-Formaten zu benutzenden Arbeitsmittel ist sicherlich hilfreich, mutet jedoch bei Beschreibungen wie „1x Stehtisch circa 160×160 cm“ und „IKEA-KALLAX-Regal mit Schubkästen“ etwas obskur an.

Die Zielgruppe: Manager und Macher …

Gehen wir aber gleichzeitig einen Schritt zurück und nach vorn : An wen wendet sich das Buch und ist es ein Impulsgeber für die eigene Personalarbeit?

Grundsätzlich richtet es sich an all diejenigen, die digitale Dienstleistungen und Produkte entwickeln, agil(er) arbeiten möchten bzw. dies alles unterstützen. Es unterscheidet demnach zwischen den so genannten Machern und Managern. Während die einen operativ an der digitalen Innovationsentwicklung Tag für Tag arbeiten, sind die Manager die, die den dafür nötigen Rahmen schaffen müssen. Was sich zunächst nach alter Hierarchie-Denke anhört, entpuppt sich beim Lesen als symbiotische Beziehung. Manager ohne Verständnis und Kenntnis (!) von Innovationsmethoden kommen ebenso keinen Schritt weiter wie Macher ohne Feingefühl für die Belange der Führungskräfte.

Gemäß dieser Zweiteilung ist das Buch auch aufgebaut. Der Hauptteil (etwa 260 Seiten) widmet sich der Beschreibung von Abläufen und Methoden in der Innovationsarbeit. Die restlichen 60 Seiten gehen auf das ein, was nötig ist, um diese Art der Arbeit zu ermöglichen und zum Erfolg zu führen.

Das Ziel: Kundenbegeisterung

Erklärtes Ziel der Autoren ist es, zum „Sieg“ zu verhelfen, sprich den Nutzer bzw. Kunden mit innovativen Services – und jetzt kommt das entscheidende Wort – zu begeistern. Allein das sollte für jeden Personaler Grund genug sein, einen Blick in das Buch zu werfen. Denn von HR wird heutzutage nicht einfach nur erwartet, dass man liefert (die richtigen Prozesse, die besten Kandidaten, zukunftsfähige Entwicklungsprogramme etc.), sondern die internen wie externen Kunden begeistert. In Zeiten, in denen HR messbar zum Unternehmenserfolg beitragen muss und sich der Arbeitgeber- zum Bewerbermarkt wandelt, ist die Begeisterung der Kunden (Business wie Kandidaten) und damit die messbare Größe der Weiterempfehlungsbereitschaft das höchste Gut.

Um diesem Ziel näher zu kommen, schlagen die Verfasser vor, sich am so genannten „Innovation Board“ entlang zu hangeln. Hier durchläuft das Innovationsteam eine Art Funnel, an dessen Ende ein konkretes und vor allem getestetes und vom Kunden gewolltes Produkt steht. Ist bislang nur eine Grundhypothese vorhanden, z.B. Menschen würden gerne online Schuhe kaufen, wird diese im Modul „Explore“ zunächst mit allerlei Daten angereichert. Im nächsten Schritt „Create“ wird an der Ideenbeschreibung, der Kundensegmentierung und allem voran am „Wow-Effekt“ des Kunden gearbeitet. Anschließend beschäftigt sich das Modul „Evaluate“ mit dem Testen des (Ideen-)Prototyps, der idealen Preisfindung oder auch dem perfekten Vertriebskanal.

Dabei bilden mehr als 30 im Buch fein säuberlich beschriebene Arbeitsmethoden das Fundament. Sie helfen dabei, sich den einzelnen Fragestellungen pro Modul zu nähern. Beispiel: „Kill your company“. Hier gehen die Teilnehmer der Frage nach, wie sie das eigene Unternehmen attackieren würden, um Marktanteile abzujagen. Konkret auf HR übersetzt: Worüber beschweren sich die Kandidaten am meisten? Nervige Online-Bewerbungssysteme. Man muss sich registrieren, es gibt zu viele Felder, keine konkreten Ansprechpartner und der Status meiner Bewerbung ist zu allgemein angegeben. Wie könnte hier nun ein Killer-Service aussehen, der dem meines eigenen Unternehmens weit überlegen ist?

Der Aufbau: Wie ein (un)geordneter Teller Spaghetti

Während die Dreiteilung des „Innovation Boards“ anfangs selbst wie ein simpler und vor allem sequentieller Prozess à la Six Sigma bzw. OPEX aussieht, wird dies beim Lesen des Buches zum genauen Gegenteil. Immer wieder sollen die Macher zwischen den einzelnen Phasen und den passenden Methoden hin- und herspringen, um die gewonnenen Erkenntnisse ins Produkt einfließen zu lassen.

Interessanterweise ist dieser scheinbare Zwiespalt zwischen konkreten To Dos – der eben erwähnte Funnel – und flexibel anwendbaren Praktiken, Tools und Templates die größte Stärke des Buchs. Letztere sind zwar keineswegs revolutionär (z.B. wird auch die Methode des Brainstormings beschrieben), doch ist deren Zusammenspiel mit den Modulen das, was begeistert. Gleichzeitig wird einem bewusst, wie viel Arbeit Innovation eigentlich bedeutet.

Schließlich gibt das Buch, unbeabsichtigt, auch einen Hinweis, welche Aufgaben HR in Zukunft übernehmen kann und sollte: das Ermöglichen von Innovation. Dazu muss aber jeder Personaler Innovationsarbeit verstehen. Und das sollten wir alle auch besser. Denn die Digitalisierung wird viele unser angestammten Aufgaben in den kommenden Jahren verändern.

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Wann HR überflüssig sein wird – eine Prognose

30. Dezember 2016

Digitalisierung hier, Digitalisierung dort. Egal ob in Wirtschaftsmedien wie dem Manager Magazin oder der Wirtschaftswoche, überregionalen Tageszeitungen wie SZ oder FAZ oder in unternehmenseigenen Intranets: Mehr als 20 Jahre nach der Massenmarkt tauglichen Einführung des World Wide Webs ist dessen Existenz und radikaler Einfluss auf Prozesse, Produkte und die einzelne Person an sich im tatsächlichen Mainstream-Bewusstsein vorgedrungen und angekommen.

Nachdem Uber und Airbnb ganz praktisch vorgemacht haben, dass der physische Besitz von Gütern keine zwingende Voraussetzung für den erfolgreichen Betrieb eines Geschäfts mit eben diesen ist, ist auch der letzten Unternehmensführung klar geworden, dass man „digital“ werden muss. Seitdem werden innerbetriebliche Abläufe ins Virtuelle gehievt, alte Dienstleistungen neu für deren Bezug via Internet gedacht und Datenströme zur Analyse zusammengeführt.

Alles gut. Alles richtig.

Digitalisierung verändert alle Stellenprofile innerhalb der HR Value Chain (eigene Darstellung auf Basis von freepik.com)

Digitalisierung verändert alle Stellenprofile innerhalb der HR Value Chain (eigene Darstellung auf Basis von freepik.com)

Mit großem Erstaunen kann man jedoch in deutschen Personalabteilungen beobachten, wie dort „Digitalisierung“ verstanden wird. Die Einführung eines HRIS wie SuccessFactors, Workday oder Taleo als Excel-Ersatz ist hier zu nennen. Oder die Implementierung eines Chatbots für die Karriere-Webseite (siehe z.B. jobs.siroop.ch, wobei dies eher als vorgefertigter Entscheidungsbaum in der Tradition alter Text-Adventures zu sehen ist, denn als wirklich interaktiver und intelligenter Bot im Sinne Turings). Oder digitale Lunch-Lotterien, um Silodenken durch Mittagessen mit KollegInnen, mit denen man sich innerhalb der eigenen HR-Abteilung eher weniger unterhält aufzubrechen.

Alles gut. Alles richtig.

Doch denken wir mal einen Schritt weiter. Überlegen wir, welchen Einfluss die Digitalisierung auf uns als Personaler ganz persönlich hat. Auf unsere Jobs, unsere Aufgaben und unsere in Zukunft benötigten Fähig- und Fertigkeiten. Digitalisierung ist ja kein Selbstzweck und nur deshalb da, weil es hipp und en vogue ist. Es dient – innerbetrieblich gesehen – zur Produktivitätssteigerung. Es dient – aus Sicht des Kunden – zur Verbesserung der viel zitierten Customer Experience, und damit zur Gewinnsteigerung. Für mich als Individuum und Angestellten stellt sich daher eine entscheidende Frage: Inwiefern kann ich mit meinem Wissen sowohl zur Produktivitäts- als auch zur Gewinnsteigerung beitragen? Wie kann ich selbst relevant bleiben? Damit einher geht implizit auch die Frage, ob ich mit meinem (aktuellen) Wissen über kurz oder lang nicht überflüssig bin oder werde. Stellvertretend hierzu ein Zitat von Oliver Bäte, Chef des Versicherungsriesen Allianz:

„Wir versuchen, unsere Personal- und Produktivitätsplanung so vorausschauend zu machen, dass wir ehrlich und klar sagen können, welche Jobs es in vier, fünf oder sechs Jahren noch gibt, wo wir schrumpfen und wo wir wachsen.“ (Wirtschaftswoche vom 23.12.2016, Seite 86)

Lassen Sie uns daher einzelne Personalbereiche betrachten und uns überlegen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich das Stellenprofil entweder ändert oder gar – im Sinne der Notwendigkeit einer menschlichen Arbeitskraft – obsolet wird.

Personalbeschaffung/Recruiting/Employer Branding

Bereits heute sind die technischen Umwälzungen im Bereich des Personalmarketings und der Personalauswahl kaum zu übersehen. Klassische Tätigkeiten wie das Verfassen von Stellenanzeigen, die Beurteilung eingehender Bewerbungen oder das Erstellen und Platzieren von attraktiven Inhalten für eigene oder fremdbetriebene Plattformen werden bereits entweder von Algorithmen unterstützt oder komplett übernommen.

IBMs Tone Analyzer und text.io helfen beim Schreiben von Job Postings. Skill- und Person-Organization-Fit-Matching-Technologien geben Hinweise auf die Bewerberpassung oder filtern gar automatisch für den Personaler vor. Bots können bereits heute auf Basis von öffentlich zugänglichen Nutzerdaten (Cookies, Facebook-Likes etc.) in intelligenten Content-Management-Systemen auf den Nutzer zugeschnittene Informationen bereit stellen. Oder nehmen Sie schlicht Google Fotos, dessen virtueller Assistent für Sie die Video-Kreation übernimmt. Auch im Bereich der Kampagnensteuerung sehen wir autonome KI-Systeme werkeln anstelle von Menschenhand. Programmatic Marketing ist hier das Stichwort (mehr dazu siehe hier).

Es ist daher ein Leichtes vorzustellen, was das für das Stellenprofil des Recruiters und Employer Brand Managers bedeutet:

Während sich manch Recruiter noch in Richtung Active Sourcing entwickeln kann, wird der „gemeine“ Post-and-Pray-Recruiter in den kommenden fünf Jahren schlicht überflüssig sein. Sein Mehrwert geht schon jetzt gegen Null – abhängig von der jeweiligen technischen Maturität des eigenen Unternehmens. Doch auch im Bereich der aktiven Ansprache von Bewerbern wird es Umwälzungen geben. Tools wie Talentwunder zeigen uns schon jetzt die Wahrscheinlichkeit der Wechselbereitschaft und Mobilität an. Auch das Beherrschen von Boole’scher Suche oder sonstigen X-Ray-Techniken ist etwas, was künstliche Intelligenz (KI) in Zukunft sicherlich besser und schneller beherrscht als ein Mensch.

Was dann noch bleibt? Der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch. Der direkte, menschliche Austausch zwischen Unternehmen und potenziellem Arbeitnehmer. Gute Stories, weshalb sich Personen für ein Unternehmen entscheiden sollten. Insofern könnte die Rolle des Sourcers in Zukunft auch mit der des Employer Brand Managers zusammenwachsen.

Prognose bezgl. Änderung/Abschaffung des Stellenprofils:

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Personalentwicklung/Talent Management/Learning

Performance- und Potenzial-Analysen, das Betreuen von internen High-Potential-Pools und die Entwicklung und Durchführung von Weiterbildungsangeboten klingt nicht unbedingt danach, als ob Roboter uns diese Art von Arbeit so schnell streitig machten.

Dabei werden wir hier heute schon massiv von intelligenten Systemen unterstützt. HR-Tools weisen internen Talenten anhand der vorhandenen Skillprofile und Potenzial-Matrizen passende Jobs jetzt und in Zukunft zu. Die Karriere- und Nachfolgeplanung ist also bereits zu einem guten Teil auto- und digitalisiert. Während Learning-Abteilungen heutzutage bereits ein oder mehrere Jahre im Voraus das interne Weiterbildungsangebot planen und das ganze via dicken Papierbroschüren unter die Mitarbeiter mischen, werden wir in Zukunft individuelle Trainings und Seminare (im virtuellen Raum) sehen – gestützt auf stets sich selbst aktualisierenden Mitarbeiterprofile und dem kurz- und langfristig abgeleiteten Bedarf seitens des Unternehmens. Wobei langfristig in Zukunft wohl eher einen Zeitraum von zwei Jahren, denn zehn umfasst. Auch das Konzipieren und Bereitstellen von Kursen ist längst keine Domäne der Personalentwickler mehr. Mittels LinkedIns Learning Plattform Lynda.com können Angestellte ihr Wissen selbst als Online-Training zur Verfügung stellen.

Was dann noch bleibt? Auch hier wird der geneigte Talent Manager die Flucht ins 1 zu 1 antreten müssen. Angesichts zunehmender Unsicherheiten und differenzierender Job-Profile sucht eine Mehrheit der Belegschaft bereits heute nach Orientierung. „Karriere-Coaching“ sei hier als Stichwort und zukunftsträchtiger Stellentitel genannt. Und auch im Bereich der Unternehmensakademien ist nach wie vor Methodenkompetenz erforderlich. Bis Computer auch das via Machine Learning selbst können …

Prognose bezgl. Änderung/Abschaffung des Stellenprofils:

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Personalcontrolling

Wohl kein anderer HR-Bereich ist dermaßen prädestiniert, von der Digitalisierung verändert zu werden als das Personalcontrolling. Von Natur aus mit Zahlen und Analysen hantierend schreit sie geradezu danach, in virtuelle Datenströme übersetzt zu werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Teil des HR-Controllings, der sich mit dem Erfassen, Darstellen und Analysieren des Ist-Zustands auseinandersetzt, weitaus schneller digitalisiert wird als der Bereich, der sich mit Strategic Workforce Planning (SWFP) beschäftigt.

Das Definieren relevanter KPIs, das Sammeln und Berechnen der benötigten Zahlen sowie das Aufbereiten derselben kann systemseitig schon abgebildet werden. Wobei viele Unternehmen eben noch genau daran scheitern: Sie haben kein System im Einsatz, welches alle relevanten Stammdaten über die gesamte HR Value Chain sammelt; geschweige denn analysiert und in leicht verständliche Dashboards inklusive Handlungsanweisungen zusammenstellt. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis dies vollends von KI übernommen wird.

Etwas anders sieht es auf dem Gebiet des SWFP aus. Zwar können Algorithmen auch heute schon ableiten, in welchen (neu zu gründenden) Unternehmensbereichen über diverse Zeiträume Bedarf besteht – vorausgesetzt sie werden mit den passenden Daten gefüttert. Heat-Maps zeigen dann deutlich auf, wie hoch der jeweilige Bedarf sein wird und welche Fähigkeiten die (neuen) Mitarbeiter haben müssen, um weiterhin zu reüssieren.

Was dann noch bleibt? Eines können diese Systeme aber (noch) nicht: In Diskussion mit den Management-Ebenen gehen, um über die mittel- und langfristige Unternehmensentwicklung zu sprechen. Wir werden also mittelfristig eine deutliche Entwicklung vom Personalcontroller als Datensammler hin zum Data Scientist mit Management-Verständnis sehen.

Prognose bezgl. Änderung/Abschaffung des Stellenprofils:

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Compensation & Benefits

Ähnlich dem Personalcontrolling wird die Digitalisierung auch den Bereich des Vergütungsmanagements radikal verändern, da auch hier eine Mehrzahl der Prozesse keiner analogen Abstimmung bedürfen, z.B. Diskussionen mit dem Betriebsrat oder anderen Sozialpartnern.

Das Festlegen von Gehaltsbändern und Boni-Systemen (Stichwort „variable Vergütung“) oder auch die Auszahlung bzw. Bereitstellung von Lohnnebenleistungen wie z.B. Essens- oder Pensionszuschüsse oder Jubiläumsgeld läuft häufig schon automatisiert ab. Für eine Vielzahl dieser Maßnahmen bedarf es heute bereits keines  dezidierten HR-Ansprechpartners mehr. Auslöser ist der Mitarbeiter bzw. die Führungskraft selbst. Alle großen HR-IT-Systeme setzen massiv auf diese so genannten Self Services, die nichts anderes bedeuten als das Eliminieren von HR als unnötige und produktivitätshemmende Zwischenebene.

Was dann noch bleibt? Auch hier werden wir eine Entwicklung weg von der Administration von Prozessen hin zur strategischen Beratung des Managements sehen. Ein gutes Beispiel ist das Thema Grading. Welche Stelle hat welche Wertigkeit? Auf Basis welcher Faktoren wird diese Wertigkeit festgelegt? Und welche Vergütungsschemata und Karrierepfade liegen dahinter? All das benötigt nach wie vor menschliche und damit analoge Interaktion.

Prognose bezgl. Änderung/Abschaffung des Stellenprofils:

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Was bedeutet das alles nun für jeden Einzelnen, der im Personalbereich arbeitet? Die Botschaft ist an sich relativ simpel: Weiterbildung. Permanent. Das Antizipieren von Trends – zusammen mit deren Umsetzung – wird zur individuellen Kernaufgabe. Das stete Hinterfragen und Herausfinden des eigenen Mehrwerts im Vergleich zu aktuellen und zukünftigen Technologien ist das, was unsere Karrieren in Zukunft bestimmt. Dazu sei jedem der ARD-Podcast mit dem Zukunfts- und Trendforscher Sven Gábor Jánszky empfohlen, der dieses Paradigma, vollkommen unabhängig von HR, auf den Punkt bringt.

So war die 1. HR Failure Night

11. Oktober 2016

Alle, die sich dafür interessieren, wie die 1. HR Failure Night – erdacht und organisiert von Nicole Goodfellow und mir mit Unterstützung des W&V Jobnetworks – so lief, dem sei der Blogbeitrag „Die 1. HR Failure Night – eine Nachbetrachtung“ ans Herz gelegt.

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Neben dem, was gut lief, wird selbstverständlich auch an Fuckups nicht gespart.

Ach ja, wer wissen möchte, weshalb die HR Failure Night nicht mehr das Wörtchen Fuckup in sich trägt, dem sei dieser Artikel empfohlen.

Enjoy reading!

Kein Bock mehr auf Best Practices …

10. Juli 2016

… dieHR-Fuck-Up-Logo-blackser Gedanke war es letztlich, der zur Gründung der HR Fuckup Night führte. Weg von einem Veranstaltungsformat, bei dem preisgekrönte Kampagnen oder Ideen präsentiert werden, die man für das eigene Unternehmen – aus welchen Gründen auch immer – meist ohnehin nicht umsetzen kann. Oder will.

Die  HR Fuckup Night soll einen Gegenpol zu all den Events da draußen bilden, die ihren Fokus stets auf den „schönen Bereich“ von HR legen. Auf tolle neue Innovationen, neu entwickelte Strategien, Berichte, wie gut man Tool XYZ in die eigene Organisation implementiert hat. Und am Ende des Tages gibt es dann einen oder gleich mehrere Awards.

Versteht mich nicht falsch. Das ist alles gut und berechtigt. Aber ich habe das Gefühl, dass uns das als HR-Gemeinde nicht wirklich weiter bringt. Gerade in Zeiten, in denen von HR gefordert wird, den innerbetrieblichen Kulturwandel hin zu mehr Agilität, Offenheit und Start-Up-Spirit oftmals nicht nur zu begleiten, sondern ihn maßgeblich voranzutreiben.

 

HR braucht Intrapreneure

Im Grunde ist die HR Fuckup Night die konsequente Fortführung dessen, was Matthias Mäder und ich bereits beim HR Barcamp 2014 in Berlin machten. Dort hatten wir eine Session mit dem Titel „Mobile Recruiting funktioniert (noch) nicht“ gehalten, die sich stark auf all die Missstände, sprich Fuckups, konzentrierte, die damals (und z.T. auch heute noch) mit der Einführung des mobilen Bewerbungssystems der Allianz Gruppe einhergingen.

Das Ziel der HR Fuckup Night ist es jedoch nicht nur, über die eigenen Fehler zu sprechen, darüber zu reflektieren bzw. in der Gruppe nach Lösungen zu suchen. Wir möchten damit auch einen Beitrag zu einem offenerem Umgang mit Fuckups – manche sagen dazu, leicht pikiert, auch „Noble Failures“ – leisten. Wir brauchen insgesamt mehr Personaler, die Risiken eingehen. Die als HR-Intrapreneure unser Fach weiter voranbringen, und dabei bereit sind, (zunächst) zu scheitern. Und dann auch noch davon berichten.

Ich bin sehr froh, mit Nicole Goodfellow eine Mitstreiterin gefunden zu haben, die ebenso wie ich der Meinung ist, dass sich HR (schneller) ändern muss.

 

Twitter, Facebook & Co – Wir müssen draußen bleiben

Ebenso freut es mich, für die erste Ausgabe der HR Fuckup Night am 28. September 2016 in München vier Speaker zu präsentieren, die kein Problem damit haben, die Augen des Publikums auf die eigenen Fettnäpfchen zu lenken. Gleichzeitig hoffen Nicole und ich, dass für weitere HR Fuckup Nights keine zuvor definierte Rednerliste nötig ist, sondern sich die teilnehmenden Personaler ganz freiwillig und spontan auf die Bühne begeben, um ihre Fuckups zu präsentieren.

Die Atmosphäre spielt hierbei natürlich eine große Rolle. Wer vom „Scheitern“ erzählt, sollte dies in einer Umgebung tun, die Vertrauen, Sicherheit und Respekt bietet. Aus diesem Grund gelten bei der HR Fuckup Night folgende Regeln:

  • Über die Fuckups wird nicht gewtittert, gefacebooked, gegoogleplussed, gesnappchattet, geinstagramt etc.
  • Gleichzeitig wird darüber nicht geperiscoped, gefacebooklivestreamed etc.

Sprich: Was im Kreis der HR Fuckup Night passiert, bleibt auch dort. Das Vegas-Prinzip sozusagen.

Insofern gilt: Bitte meldet euch nur an, wenn ihr Lust darauf habt, zu diskutieren, Probleme gemeinschaftlich zu lösen und selbst aus eurem Fehler-Nähkästchen plaudern möchtet. Zuhören ist natürlich erlaubt, aber nicht Sinn der Sache.

Die HR Fuckup Night ist ebenso keine Bühne für das Anbahnen von Agentur-Unternehmens-Beziehungen. Wenn das während des BBQ passiert, fein. Ansonsten gilt: Vertreter von Dienstleistern sind ebenso dazu aufgefordert, sich im Sinne der Offenheit an den Diskussionen zu beteiligen wie alle anderen auch.

In diesem Sinne: Sichert euch noch (Rest-)Karten, solange es geht. Mit nur rund 40 Teilnehmern ist das Kontingent arg begrenzt. Alles Infos findet ihr entweder auf http://www.hrfuckup.de oder unten auf der eCard.

1. HR Fuck Up Night - eCard Social Media

Noch Fragen? Dann schreibt einfach eine E-Mail an contact@fuck-up-night.com.

 

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Ein Dank geht an dieser Stelle auch an die Unterstützer der 1. Ausgabe der HR Fuckup Night: das W&V Jobnetwork, tmp worldwide und Allianz X. Ohne euch wäre die Orga deutlich schwieriger geworden!

Weshalb wir keine „digital talents“ benötigen

6. Juni 2016

Derzeit hört man die Unternehmen, egal ob in Deutschland oder im Ausland, lauthals jammern. Es scheint fast so, als ob diese von einer ganz seltsamen Krankheit befallen wären, die da heißt digitales Fieber. Diese spezielle Form des Fiebers führt dazu, dass die Firmenlenker sich benehmen, als wäre das Internet eben erst erfunden worden. Und dass dieses Internet nun eine gänzlich neue Art von Mitarbeitern bzw. Bewerbern brauche: die digitalen Talente.

Die digital talents sollen nun irgendwie den offensichtlich vorhandenen Schmerz der Unternehmen lindern. Sie sollen dafür sorgen, dass Marktanteile wieder zurückgewonnen, Kunden erneut begeistert werden und Umsätze wieder steigen. Das dem zugrunde liegende Denkmuster ist natürlich ein anderes. Viele befällt eine leise Panik, dass mit ihnen dasselbe passiert, wie mit Nokia, Kodak und Konsorten.

Und wissen Sie was? Diese Panik ist vollkommen gerechtfertigt. Nur, die digitalen Talente werden den Unternehmen kaum helfen. Aus ganz unterschiedlichen Gründen: Zum einen wissen viele Firmen nicht einmal, was sich hinter dem dehnbaren Begriff des „digitalen Talents“ eigentlich verbirgt. Ist das jemand, der ein Smartphone hat? Ich denke nicht. Alle, die in den 90ern geboren wurden? Ich hoffe nicht. Oder jemand, der schöne und gut nutzbare Webseiten bauen kann? Sicherlich, aber ich gehe davon aus, dass es um viel mehr geht. Insofern ist es in Gesprächen mit Führungskräften spannend zu hören, was diese unter dem Begriff verstehen. Hört man nämlich genau hin, erkennt man, dass die Begrifflichkeit nur das Symptom, mitnichten jedoch die Ursache des oben beschriebenen Schmerzes beschreibt.

Die digitale Welt hat grundlegend all das geändert, was wir kennen. Die Art und Weise wie Waren produziert, Dienstleistungen erbracht, mit Kunden umgegangen wird und wie Angestellte miteinander zusammen arbeiten. Kunden, Mitarbeiter, Dienstleister – wir alle sind mittlerweile einfache und schnelle digitale, auf den Kunden zentrierte Prozesse und Verhaltensweisen gewöhnt. Man könnte auch sagen, dass Amazon, Airbnb oder Uber uns dahingehend „verwöhnt“ haben. Jeden Tag sehen und erleben wir, was mit „diesem Internet“ möglich ist. Das genau ist der Grund, weshalb es so weh tut, wenn wir unsere eigenen Prozesse anschauen, wohlwissend, dass wir noch nicht da sind, wo wir sein müssten.

Dennoch hilft es keinem, wenn man einfach mal “Etwas” im digitalen Raum macht oder Leute einstellt, von denen andere denken, diese seien „digital“. Entscheidend ist, dass sowohl die Mitarbeiter als auch Bewerber das richtige Mindset haben. Und diese mentale Einstellung muss nicht zwangsläufig digital sein. Sie muss vorrangig auf den Kunden ausgerichtet sein. Absolute Kundenorientierung ist das Zauberwort. In jedem Prozessschritt, spürbar bei jedem Kontaktpunkt mit dem Kunden, in allen Verhaltensweisen.

Dieser radikale Fokus auf den Kunden wird zu mehr Kundenzufriedenheit und einer höheren Weiterempfehlungsrate führen. Eine Zunahme der Marktanteile, steigende Umsätze und glückliche Mitarbeiter sind die Folge. Vergessen Sie also „digital talents“. Schauen Sie sich stattdessen nach „customer centric talents um.

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Der Artikel wurde ursprünglich auf Englisch veröffentlicht. Den Originaltext finden Sie auf LinkedIn Pulse.

9 Technologien für 2016, die Ihr Employer Branding und Recruiting auf die nächste Stufe bringen

6. Mai 2016

Gleich vorweg: Bei der folgenden eBook-Empfehlung bin ich etwas voreingenommen. Warum? Weil ich aktiv daran mitgearbeitet habe. Aber das sollte Ihr Interesse am Inhalt des Buches nicht negativ beeinträchtigen …

Das von TMP Worldwide veröffentlichte eBook „9 Tools für Ihr HR-Marketing: Talent Attraction und Employer Branding sind digital“ ist aus meiner Sicht eine hervorragende Übersicht aktueller und zukünftiger HR-Tech-Trends, die sogar weit über das Jahr 2016 hinausragen.

9 Tools für Ihr Employer Branding 2016

Hier ein kurzes Inhaltsverzeichnis des eBooks:

  1. Interaktive Videos
  2. Virtual Reality
  3. 360-Grad-Videos (inkl. Beispiele der Deutschen Bahn)
  4. Programme zur Analyse von Stellenanzeigen
  5. Content-Erstellung durch Künstliche Intelligenz
  6. Messenger Apps
  7. Personalisierung, Kontextualisierung und intelligente Karriere-Webseiten
  8. Programmatic Marketing
  9. Advanced Recruitment Marketing Analytics

Zusätzliches gibt es noch, exklusiv in der deutschen Ausgabe dieses eBooks, einen Rubrik mit dem Titel The Next Level, welches sich speziell mit Technologien auseinandersetzt, welche erst in den kommenden Jahr(zehnten) für den Personalbereich relevant werden (können). Insbesondere beschäftigt sich dieses Kapitel mit:

  • Recruiting-Robotor / Recruiting-Bots
  • Vollständig individualisierte Karriere-Webseiten
  • 3D-Druck im Assessment
  • Hologramme

 

Der RecTech Hype Cycle

Die oben aufgeführten Tools und Technologien werden jedoch nicht „einfach nur vorgestellt“, sondern anhand des sog. RecTech Hype Cycles (inspiriert vom Gartner Hype Cycle) analysiert. Dieser Kreislauf lässt sich grob in fünf Kategorien gliedern:

  1. Innovation Trigger – Eine neue Technologie ist eben auf dem Markt gekommen und viele reden bereits darüber. Ohne jedoch Genaueres zum Erfolg/Nutzen sagen zu können.
  2. Der Gipfel der überhöhten Erwartungen – Im Endeffekt handelt es sich bei diesem Cluster um das, was man heute „Hype Train“ nennen könnte. Alle, auch die Massenmedien, reden über das nächste große Ding. Auch zu diesem Zeitpunkt des „Hype Cycles“ ist noch unklar, wohin die Reise dieser Technologie gehen wird.
  3. Das Tal der Ernüchterung – Kurz und bündig: Die Technologie hat den Praxistest nicht bestanden.
  4. Der Anstieg zur Erkenntnis – Chancen und Risiken eines Tools/einer Technologie wurden ausreichend geprüft und verstanden. Das Thema ist im Mainstream angelangt.
  5. Die Hochebene der Produktivität – Diese Stufe möchte jedes Tool einmal erreichen. Ab diesem Zeitpunkt ist das entsprechende Werkzeug ein integraler Bestandteil einer jeden Recruiting- und Employer-Branding-Strategie.

Neugierig geworden? Das eBook kann man direkt bei employerbrand.com heruntergeladen werden – kostenlos natürlich.

Feedback gerne direkt oder einfach unterhalb dieses Posts.

 

Edit:

Weil ich den Beitrag von Stefan Scheller zu den ChatBots/Recruiting-Bots erst jetzt gesehen habe: Auch das ein Must-Read und sehr passend zum obigen eBook.

 

KPIs für das Employer Branding & Recruiting Teil 1 – Erfolgsmessung für den eigenen Stellenmarkt bzw. das Online-Bewerbungssystem

21. Januar 2016

Wie im vorigen Beitrag Wie sich Employer Branding selbst abschafft angekündigt, ist dieser Artikel der Einstieg in eine Mini-Serie zur sinnvollen Erarbeitung und Umsetzung von Kennzahlen für das eigene Employer Branding und Recruiting.

Warum? Weil Employer Branding und Recruitment endlich erwachsen werden müssen. Ich kenne keinen anderen Bereich innerhalb eines Unternehmens, der sich noch so gut um ein anständiges Reporting und Controlling der eigenen Aktivitäten herumdrücken kann, und dessen Aktivitäten nicht konsequent auf die Erfüllung eines strategischen Unternehmensziels ausgerichtet sind.

Wenn wir also „bei den großen“ mitspielen, die Zukunft unseres eigenen Unternehmens und dessen Agenda maßgeblich beeinflussen möchten, kommen wir nicht umhin, den Mehrwert unserer Arbeit in Zahlen, und ja letztlich auch in Geldeinheiten, zu messen.

 

Den Start macht nicht etwa der Recruiting-Prozess im Sinne von „Time-to-hire“ oder „Offer vs. Acceptance Rate“, sondern wir beginnen einen Schritt zuvor – beim unternehmenseigenen Stellenmarkt bzw. dem dazugehörigen Applicant Tracking System.

Die Gründe hierfür sind simpel. Anhand eines vernünftig aufgesetzten Monitorings Ihres Stellenmarktes können Sie

  1. die Quellen identifizieren, von denen Ihre Besucher/Bewerber kommen
  2. das (Klick-)Verhalten Ihrer Besucher/Bewerber evaluieren
  3. die prozessualen und technischen Schwachstellen Ihrer Online-Bewerbungsmaske offen legen
  4. diverse, zum Recruitment Funnel dazugehörige Conversion Rates berechnen. Kurz: Sie sehen, wie hoch der Anteil der Seitenbesucher ist, der am Ende auch tatsächlich auf „Bewerbung abschicken“ drückt.

 

Lassen Sie mich noch konkreter werden und präziser auf den alltäglichen Employer Brand Manager- und Recruiter-Alltag eingehen. Ich bin sicher, dass Sie sich eine der folgenden Fragen sicherlich hin und wieder gestellt haben:

  1. Wie alt sind die User, die auf meinen Stellenmarkt gelangen?
  2. Welche Suchbegriffe geben die User in das Freitextfeld auf meinem Stellenmarkt ein?
  3. Wie viele Kandidaten brechen den Bewerbungsprozess ab?
  4. Welche meiner Stellenanzeigen werden am häufigsten angeklickt und welche nicht? Und gibt es einen Unterschied zwischen den am häufigsten angeklickten Stellenanzeigen und den Stellen, auf die sich tatsächlich beworben wird?
  5. Aus welchen Ländern/Städten kommen meine User?
  6. Welche externen Stellenbörsen sind die höchsten Traffic-Treiber?
  7. Welche externen Stellenbörsen sind am effizientesten, wenn es um tatsächlich durchgeführte Bewerbungen geht?
  8. Welche sozialen Netzwerke sind wirklich relevant, wenn es um Traffic und Conversion (= Bewerbung) geht?

Wobei der sich daraus ergebenden Maßnahmenkatalog spannender ist als die Fragen selbst!

Beispiel 1: Sie finden heraus, dass sich das Durchschnittsalter ihrer Nutzer zwischen 18 und 25 bewegt. 90 Prozent Ihrer Stellen sind jedoch nur für Professionals geeignet. Dann wissen Sie, dass Sie a) ein zu sehr auf Studierende und Absolventen abgerichtetes Personalmarketing betrieben haben und/oder b) Berufserfahrene Ihren Stellenmarkt entweder nicht finden oder Ihr Unternehmen als Arbeitgeber generell nicht in deren „preferred set“ enthalten ist.

Beispiel 2: Sie finden heraus, dass die externen Jobbörsen A und B jeweils eine Conversion-Rate von sieben bzw. acht Prozent aufweisen, wohingegen Jobbörse C eine von 25 Prozent erbringt. In anderen Worten: Jeder 4. Besucher, der von Jobbörse C auf Ihren Stellenmarkt kommt, bewirbt sich tatsächlich auch. Sie könnten sich (und Jobbörsen A und B) nun fragen, weshalb Sie standardmäßig immer noch jede Stelle auf den Seiten von A und B veröffentlichen und dafür zahlen.

 

Grundlage hierfür ist ein Reporting-System, welches eben jenes Tracking zulässt. Google Analytics (GA) ist hierfür etwa sehr gut geeignet. Nicht nur weil es einfach und flexibel zugleich ist, sondern weil auch aus Datenschutzgründen dessen Einsatz durchaus zulässig ist – sofern man dessen Nutzung und das, was eigentlich gemessen wird, transparent macht. Zudem müssen auch keinerlei personenbezogene Daten müssen gesammelt werden, um obige Fragestellungen zu klären.

In der Standard-Einbettung bietet GA schon einen großen Nutzwert, indem es Daten rund um die Nutzer (z.B. Anzahl, Herkunft, benutzte Technologie, Interessen, Alter etc.), die (grob geclusterte) Herkunft derselben inkl. Zugriffe von Social Networks sowie das grundlegende Verhalten der Website-Besucher preisgibt.

Spannend wird es aber aus meiner Sicht erst, wenn die Standard-Dashboards aus „Zielgruppe“, „Akquisition“, „Verhalten“ und „Conversions“ individualisiert werden. Das geschieht über zweierlei Maßnahmen:

  1. über sog. „Ereignisse“, welche selbst gewählt/definiert und in den Tracking-Code implementiert werden können.
  2. über sog. UTM-Campaign Tags, die dabei helfen, einen Bewerber auf dessen Ursprungsquelle (z.B. externe Jobbörse) zurückzuverfolgen.

Gehen wir der Reihe nach vor und widmen uns zunächst den Ereignissen.

 

Ereignisse

Ereignisse sind oder können zur Berechnung von Key Performance Indikatoren herangezogen werden. Auch Funnel-Analysen sind dadurch möglich.

Gehen wir von folgendem Funnel aus:

Sie interessieren sich für folgende Kennzahlen:

  • Anzahl der Nutzer auf Ihrer Jobbörse
  • Davon die Anzahl derjenigen Nutzer, die sich tatsächlich auf die Suche nach Jobs beziehen
  • Davon die Anzahl derjenigen Nutzer, die eine Bewerbung begonnen haben
  • Davon die Anzahl derjenigen Nutzer, die eine Bewerbung auch abgeschlossen haben

Recruitment Funnel - Stellenmarkt

Am Ende des Tages haben Sie so nicht nur einen Prozentwert, der Ihnen Auskunft über die Effektivität Ihres Stellenmarktes gibt, sondern Sie sehen auch deutlich, in welchen Momenten bzw. Schritten Sie möglicherweise Nutzer verlieren.

Man könnte in den oben skizzierten Funnel aber noch beliebig viele andere (Zwischen-)Schritte einbauen. Etwa die Anzahl der erfolgten Registrierungen, welche nach dem Klick auf eine Stellenanzeige und vor der begonnenen Bewerbung (bei der Erstbewerbung) zu erfolgen hat.

Jedem Funnel-Schritt liegt nun ein Ereignis zugrunde. Sehen wir uns, der Einfachheit halber, das Beispiel der Allianz Gruppe an: Die KPI „Anzahl der Klicks auf Stellenanzeigen“ wird anhand zweier Ereignisse berechnet: Klicks auf die sog. „Preview Job Ads“ + Klicks auf die sog. „Standalone Job Ads“.

Die Preview Job Ad beschreibt die Stellenanzeige, welche man direkt auf der Jobbörse aufklappen kann.

Preview Job Ad

Preview Job Ad – Stellenmarkt der Allianz Gruppe

Zur Standalone-Version gelangt man hingegen über einen Direktlink, z.B. von einem externen Job Board.

Standalone Job Ad

Standalone Job Ad – Stellenmarkt der Allianz Gruppe

Die KPI „Anzahl der begonnenen Bewerbungen“ lässt sich etwa über den Bewerbungs-Button abbilden. Sobald ein Bewerber darauf klickt, gilt dies als angefangenen Bewerbung.

Jetzt bewerben Button

Innerhalb der Bewerbungsmaske wiederum muss jeder Bewerber zum Ende einen weiteren Button anklicken, um die Bewerbung auch abzuschicken. Dies kann ebenfalls als Ereignis festgelegt werden und bestimmt so die Anzahl der abgeschlossenen Bewerbungen.

Bewerbung abschicken Button

Viele weitere Ereignisse sind denkbar bzw. Schlussfolgerungen daraus: Welche Ihrer Jobs werden am meisten angeklickt? Welche performen schlecht (und warum)? Wie viele Bewerber nutzen Facebook, Xing oder LinkedIn für das automatische Befüllen ihres Profils?

In Kombination mit den erwähnten UTM Tags ergebnen sich sogar noch mehr Möglichkeiten.

 

UTM Campaign Tags

Im Grunde sind UTM Kampagnen Tags einfache Strings, sprich Anhängsel, an eine URL – in unserem Fall die URL Ihres Stellenmarktes bzw. die individuelle URL einer Ihrer veröffentlichten stellenanzeigen. Damit lässt sich u.A. die exakte Herkunft einer Bewerbungen bestimmen. UTM Tags sind ideal, um herauszufinden, welche externe Stellenbörse die meisten Bewerber liefert oder ob Social Media auch im Recruiting Sinn ergibt.

Betrachten wir uns doch mal einen solchen String:

utm_campaign=FirmaXYZ&utm_source=Jobboard&utm_medium=Stepstone

Sie erkennen sogleich drei grundlegende Tags:

  1. utm_campaigns — hier können Sie entweder den Namen Ihres Unternehmens, einer Gesellschaft Ihrer Unternehmensgruppe oder auch den Namen einer Abteilung, für die Sie derzeit rekrutieren, angeben
  2. utm_source — hier können Sie z.B. die dem eigentlichen Ursprung übergeordnete Kategorie angeben. Wenn Sie externe Jobbörsen messen möchten, könnte dies eben „Jobboards“ sein
  3. utm_medium —  hier können Sie die konkrete Plattform eintragen, auf der Sie die Stellenanzeige schalten

Die komplette URL samt String könnte demnach – wieder am Beispiel der Allianz – so aussehen:

https://jobs.allianz.com/sap/bc/bsp/sap/zhcmx_erc_ui_ex/?title=Senior-Data-Analyst-(m/f)-with-focus-Solvency-II-P-C-and-Life-at-Allianz-SE-Reinsurance&jobId=76562B4401031ED5AFD694E8DA80D30E? utm_campaign=Allianz&utm_source=Jobboard&utm_medium=Stepstone

Wie Sie sehen, muss der UTRM String zwingend mit einem Fragezeichen mit der Stellenanzeigen-URL verbunden sein. Nun können Sie diese URL nehmen und Stepstone bitten, diese entsprechend zu hinterlegen.

Dies bedeutet natürlich manuellen Aufwand, weshalb einige (Meta-)Stellenbörsen bzw. Professional Networks dies bei Anfrage auch automatisiert anbieten. So zum Beispiel LinkedIn, efinancialcareers oder indeed.

Verbunden mit dem Ereignis der abgeschlossenen Bewerbungen können Sie so nachvollziehen, wie viele Bewerber über einen bestimmten Kanal kamen und auch eine Bewerbung abgegeben haben. Eine für Ihre Preisverhandlungen nicht ganz unwichtige Kennzahl. Über die Qualität eines Bewerbers und damit der Quelle sagen diese Daten natürlich nichts aus. Deshalb ist auch die Verknüpfung von Stellenmarkt-Daten mit den von Recruitern genutzten KPIs so wichtig, um die gesamte Recruitment Value Chain korrekt abbilden zu können. Doch dazu mehr in Teil 2 zu diesem Thema …

Wie sich Employer Branding selbst abschafft

7. September 2015

Dies ist ein Appell. Ein Aufruf an all diejenigen, die sich der Arbeitgebermarkenpflege verschrieben haben.

Wir müssen aufpassen. Aufpassen darauf, dass wir als Employer-Branding-Funktion relevant bleiben bzw. überhaupt werden. Darauf achtgeben, dass wir einen nachweisbaren Mehrwert für das Business im Speziellen und das Unternehmen als Ganzes liefern.

Bei einem Blick auf die zahllosen HR-Events, Barcamps und Artikel rund um die Themen Personalmarketing und Employer Branding beschleicht mich das Gefühl, dass genau dieser Mehrwert nur eine untergeordnete Rolle in unseren Überlegungen spielt.

In der Regel wird Employer Branding auf folgende Funktionen reduziert. Oder lassen Sie mich es im aktiv ausdrücken: Wir selbst machen das aus Employer Branding.

 

Employer Branding als Marketingfunktion

Hier eine Anzeige schalten, dort ein wenig Search Engine Marketing und auf der Studi-Website noch fix ein Logo platzieren.

So oder so ähnlich sieht es in vielen Unternehmen aus, wenn Employer Branding als (reine) Marketingfunktion gesehen und ausgeübt wird.

Natürlich ist es eine Aufgabe von Employer Branding, geeignete Plattformen für Unternehmenswerbung auszusuchen und diese sinnvoll zu nutzen – von mir aus auch mit simplen Online-Bannern.

Dann aber doch bitte so, dass es auch einem definiertem Ziel dient, und so, dass ich den Einfluss darauf konkret messen kann. Apropos KPIs: Bitte nie allein auf die gelieferten Reports von 3rd-Party-Anbietern verlassen. Nicht dass dort gelogen würde, aber selbstgemessene Werte, deren Definition und Berechnungsart ich kenne, lassen mich doch besser schlafen.

 

Employer Branding schafft sich ab

Employer Branding schafft sich ab

Employer Branding als Social Media Einheit

„Ach, Sie sind das mit Facebook, gell?“

Jeder, der das Thema Social Media auf seiner täglichen Agenda hat, dürfte diesen Satz von Kollegen schon einmal gehört haben.

Die darin enthaltene Wertschätzung lässt sich gut mit einem Satz vergleichen, den ich damals noch als Gruppen-Titel auf StudiVZ gefunden hatte: „Du studierst Soziologie? Ach schön, wat mit Tieren!“

Ich nehme das im Übrigen den Kollegen nicht übel. Woher soll jemand, der nicht täglich damit zu tun hat, wissen, wofür es eigentlich gut ist und was dort genau im Rahmen des Employer Brandings getan wird.

Die Frage ist doch eher: Können wir eigentlich genau und anhand von konkreten Messwerten erklären, warum Social Media nicht nur eine Daseinsberechtigung in unserem Marketing-Mix hat, sondern auch anhand welcher Maßnahmen wir unsere Arbeitgebermarkenwerte dort vermitteln?

Kurz gesagt: Was passierte mit uns als Arbeitgeber, wenn wir von heute auf morgen unsere Facebook- und LinkedIn-Seiten schlössen?

 

Employer Branding als Experimentierkasten

Ich liebe Experimente. Nur wenn man Dinge ausprobiert, entsteht Neues und Revolutionäres. Ganz nebenbei sind Experimente auch ideal geeignet, um die eigene Motivation und die der eigenen Mitarbeiter zu stimulieren. Experimentieren bedeutet zugleich frei zu sein.

Insofern müssen deren Ergebnisse nicht zwingend Wert stiftend sein. Was Sie aber beinhalten müssen, ist den Willen, die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen, die Experimente zu standardisieren/institutionalisieren und sie bedingungslos auf die übergeordneten Employer-Branding-Ziele auszurichten.

Beispiel: Live-Streaming per Periscope.
Könnte durchaus spannend sein, dieses Tool im Kontext des Arbeitgebermarketings einzusetzen. Und einige haben das mittlerweile bereits getestet.

Aus meiner Sicht könnte sich Periscope z.B. als Live-Chat, Arbeitgeber-TV- oder Zusatz-Instrument für Karrieremessen eignen. Zusammen mit den richtigen KPIs müsste man hier einmal einen Case aufsetzen und dann austesten, ob sich das ganze tatsächlich rechnet und dauerhaft zu den definierten Zielen beiträgt.

Genau hier habe ich aber den Eindruck, dass es hapert. Man macht halt mal das Experiment und schaut dann, was rauskommt. Aus der Wissenschaft wissen wir aber, dass auch Experimente gut vorbereitet werden müssen. Denn Experimente ohne dahinterliegende Hypothese(n) sind schlicht Verschwendung von Arbeitszeit und – im Zweifel – Budget.

 

Employer Branding als Einweg-Instrument

Die Employer Value Proposition (EVP) gilt gemeinhin oft als Allheilmittel im Employer Branding. Richtig ist natürlich, dass eine „ordentlich entwickelte“ EVP die Basis darstellt, auf welcher die Employer-Branding-Aktivitäten der nächsten Jahre fußen können und sollten.

Aber genau da steckt der Wurm drin: Oftmals wird kein Gedanken daran verschwendet, wie es eigentlich nach der EVP-Entwicklung weitergeht. HR fehlt das Mindset, welches in der (Produkt-)Markenführung gang und gäbe ist – eine (Arbeitgeber-)Marke bedarf kontinuierlicher Pflege und Betreuung. Weil sie lebt. Durch die Mitarbeiter. Die Produkte/Services, die ein Unternehmen anbietet. Den Wechsels in den Führungsetagen mit einhergehenden kulturellen Veränderungen. Sich ändernden Einstellungen auf Seiten von Bewerbern. Und vielem mehr.

Zu glauben, all das hätte keinen Einfluss auf die EVP ist nicht nur töricht, sondern geradezu fahrlässig. Kein Brand Manager würde jemals in Erwägung ziehen, die Corporate-/Produkt-Marke sich selbst zu überlassen und diese nicht ständig neu zu justieren – immer im Wissen, was der Markt und die eigenen Mitbewerber machen. Brand Manager gibt es ja gerade aus diesem Grund. Ihre originäre Aufgabe ist es, die Marke permanent positiv zu besetzen.

Der Gedanke eines Employer Brand Managers, der sich ausschließlich auf das Thema Markenführung – in enger Abstimmung mit Unternehmenskommunikation und Marketing – kümmert, ist innerhalb des Personalbereichs nicht verankert.

 

Employer Branding als Absolvententummelbecken

Recruiting und Employer Branding eignen sich hervorragend für den Berufseinstieg. Ist ja, und so ehrlich sollten wir alle sein, auch alles keine Rocket Science.

Gerade für Unternehmen, deren Fokus auf dem Hochschulmarketing liegt, sind Absolventen, die in diesen Bereichen einsteigen, sehr gut geeignet. Bringen diese doch oftmals Wissen mit, welches man wiederum in passende Zielgruppen-Maßnahmen gießen kann.

Dennoch birgt dies natürlich auch eine Gefahr. Ist niemand Erfahrenes an Bord, fällt u. U. die strategisch und unternehmenspolitisch wichtige Einbettung des Employer Brandings in den HR Lifecycle schwer. Die Folge: Employer Branding wird als nette Dreingabe angesehen. Als „icing on the cake“, auf das man zur Not auch verzichten könnte.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir das alle nicht wollen.

 

Fazit:

Um uns also selbst (auf Dauer) nicht überflüssig erscheinen zu lassen, brauchen wir ein Employer Branding, welches einen messbaren Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg beiträgt und in die strategische Personalplanung eingebettet ist.

Und seien wir ehrlich. Letztlich geht es darum, dass die richtigen Talente zur richtigen Zeit auf der offene Position sitzen – egal wie sehr man betonen möchte, dass Employer Branding primär das Image beeinflussen möchte.

Insofern ist für mich Employer Branding ein Instrument, das vorranging dem Recruitment dienen muss. Sowohl der kurzfristigen als auch – aus Strategic Workforce Planning-Gesichtspunkten – der langfristigen Personalbeschaffung.

Betrachtet man Employer Branding aus dieser Perspektive lassen sich wunderbare KPIs und ROI-Szenarien festsetzen, die den Beitrag des Arbeitgebermarketings zum Erfolg des Unternehmens belegen. Doch dazu mehr im nächsten Blog-Post.

 

Mobile Recruiting funktioniert …. (noch) nicht – oder warum Mobile Recruiting wie Opel ist

10. März 2014

… unter diesem Titel haben Matthias Mäder und ich beim HR BarCamp 2014 eine Session zu unseren mehrjährigen Erfahrungen in Sachen Mobiles Bewerben gehalten. Ich berichtete dabei u.a. von den Lessons Learned, die ich im Zuge der Einführung des Allianz Mobile Recruitings in den vergangenen sechs Monaten gemacht habe. Ein Kern-Take-Away: Mobile Recruiting funktioniert (noch) nicht.

Und dieses in Klammern gesetzte „noch“ ist wichtig! Warum? Weil wir an den Nutzungsstatistiken klar herauslesen können, dass sich Bewerber mobile nach Stellen umsehen und sich auch mobil ein Profil im Bewerbungssystem anlegen. Sie gehen sogar weiter und bereiten ihre Bewerbungen mobil vor, um den Rest (z.B. Dokumente hochladen) dann vom heimischen Desktop-PC aus zu erledigen.

Nur die Zahlen zu den tatsächlich eingehenden mobil getätigten Bewerbungen enttäuschen (wen eigentlich? Angesichts der Berichterstattung nach der Session waren das wohl eher die Teilnehmer/die HR-Suppe). Der magere Bewerbungseingang per Mobilgerät unterliegt allerdings der bekannten Henne-Ei-Problematik. Es gibt noch nicht viele Recruiter (bei uns), die im Recruiter-Backend die entsprechende Option in der mobilen Stellenanzeige für eine Direktbewerbung freischalten. Per default ist in so einer Mobile Job Ad nämlich zunächst einmal nur der Button „Bewerbung vorbereiten“ enthalten.

Das heißt: Wo nicht viele mobilen Stellenanzeigen mit „Apply Directly“-Button, da noch nicht viele mobile Bewerbungen. Was für eine Überraschung!

Daraus ein „Allianz sagt, Mobile Recruiting funktioniert nicht“ zu machen, ist – sorry an den geneigten BILD-Leser – etwas zu kurz gegriffen und faktisch falsch.

Ganz und gar richtig ist jedoch, dass sowohl Bewerber als auch Recruiter und Hiring Manager umdenken müssen. Oder eher „umparken im Kopf“. So wie es die aktuelle Scholz & Friends Kampagne für Opel propagiert. Insofern haben Opel und Mobile Recruiting vieles gemeinsam: bei beiden Themen denken die Menschen an etwas, was eigentlich nicht zwingend der Realität entspricht bzw. haben ein diffuses Meinungsbild – gerade weil man sich damit bisher nie so richtig auseinandergesetzt hatte.

Nach einem Tweet von Henrik Zaborowski kam mir deshalb die Idee, aus dem (Allianz) Mobile Recruiting Ansatz und den damit verbundenen drei „Problemkindern“ (Bewerber, Recruiter, Hiring Manager) entsprechende #umparkenimkopf-Plakate zu basteln.

Mobile Recruiting - Bewerber müssen umdenken

Mobile Recruiting – Bewerber müssen umdenken

Das erste richtet sich an Kandidaten. Diese denken, dass eine Bewerbung unbedingt aus CV, Anschreiben, Zeugnissen usw. bestehen muss – gerade bei solch seriösen Unternehmen wie der Allianz. Nur ist das im Mobile Recruiting zu kurz gedacht. Hier würde mir die Angabe eines Aktuars, er habe jahrelang beim Wettbewerb gearbeitet genügen, um Kontakt mit ihm aufzunehmen. Den Lebenslauf kann ich mir im Nachgang immer noch ansehen. Zu Beginn genügt mir diese eine (!) Information. Im Falle der Allianz-Lösung muss ein Bewerber nur drei Dinge angeben: Telefonnummer, eine relevante Arbeitserfahrung und eine relevante Ausbildung.

Das zweite „Plakat“ ist für die Recruiter gedacht. Auch sie, gerade sie, müssen umdenken. Erhalte ich nämlich vom Kandidaten nur diese drei Informationen, muss ich aktiv(er) werden. Ich muss ihn anrufen und kann nicht erst in Ruhe sämtliche, hoffentlich vollständigen Bewerbungsunterlagen ansehen und dann entscheiden, wie ich mit ihm weiter verfahren möchte.

Mobile Recruiting - Recruiter müssen umdenken

Mobile Recruiting – Recruiter müssen umdenken

Nicht zu vergessen sind auch die Hiring Manager. Sie bestehen (zu Recht) häufig darauf, das gesamte Profil eines Bewerbers einzusehen – das ist mit den mobil eingepflegten Daten nicht möglich. Insofern ist hier die Frage: Sollten sie sich bei mobilen Bewerbungen an den Gedanken gewöhnen, weniger Infos als früher zu erhalten? Oder sollte nicht eher der Recruiter einen Schritt zuvor die entsprechende Selektion gestartet haben, um dem Hiring Manager dann ein eben doch vollständiges Profil eines Bewerbers zu übergeben?

Mobile Recruiting - Hiring Manager müssen umdenken

Mobile Recruiting – Hiring Manager müssen umdenken

Anstatt also zu schreiben, Mobile Recruiting funktioniere nicht, wäre ein weitaus besseres Mitbringsel der Session gewesen: Alle Stakeholder im Mobile-Recruiting-Prozess müssen sich umstellen. Die EINE Mobile-Recruiting-Lösung gibt es indes nicht. Wir werden je nach Land und Zielgruppe vollkommen unterschiedliche Ansätze sehen – pro Unternehmen versteht sich!

P.S. Ein dickes Sorry an Scholz & Friends sowie Opel an das dreiste „Klauen“ der Plakat-Idee und deren auch noch schlechte Umsetzung (es lebe PowerPoint und Vorschau …). Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel. Obwohl ich bei einem Versicherungs- und Finanzdienstleister arbeite, bin ich (noch) nicht im Besitz einer Rechtsschutzversicherung …

Potentialpark Award Ceremony 2014 – der Nachbericht

10. Februar 2014

Am 04. Februar 2014 fand in der Frankfurt School of Finance die diesjährige Verleihung der deutschen und europäischen potentialpark-Awards statt. Ich war wieder einmal vor Ort. Zum einen weil es für die Allianz Gruppe einige Auszeichnungen gab, zum anderen aber auch wegen der erhellenden Fakten zu den Themen Karriere-Webseite, Mobile Recruiting, ATS und Social Media. Ebenfalls lohnenswert war die Reise wegen der Vorbesprechung zu den Phase-2-Untersuchungen. Neben den Ranking-Insights ist das für mich der eigentliche Benefit der Studien.

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Bisweilen habe ich den Eindruck, genau diese qualitativen, und sehr auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Untersuchung, wird in den häufig arg populistisch geführten Debatten um potentialpark gänzlich vernachlässigt oder sind gar unbekannt.

Kommen wir daher zu einigen Erkenntnissen des gestrigen Tages. Basis der folgenden Zahlen ist ein Befragungspanel von knapp 24.000 Studierenden.

 

Los ging’s mit Infos zum aktuellen und auch zukünftigen Must-act-on-Thema „Mobile“:

  • 24% der deutschen Bewerber nutzen Mobilgeräte, um Karriere-bezogene Inhalte zu konsumieren. In China, wen wundert es, sind es 53% und den USA > 40%.
  • Konkret auf Karriere-Websites bezogen, haben bereits 48% der Jobsucher mit Smartphone und 75% (!) derjenigen mit Tablet eine solche Seite besucht.
  • Bislang haben 59% der in Deutschland untersuchten Unternehmen (n = 147) mobil-optimierte Karriere-Webseiten.

mobiltalent_2014_200

Was bedeutet das?
Nun, als global agierendes Unternehmen kommt man mit Blick auf diese Zahlen nicht um mobilfähige Webseiten herum. Gerade der asiatische, und in Zukunft auch der afrikanische Bewerbermarkt zeichnen sich bereits jetzt durch die massive Nutzung von Mobilgeräten – auch im Karriere-Kontext – aus oder werden dies tun. Bisweilen sind Smartphone und/oder Tablet die einzigen Internet-Gerätschaften, die zur Verfügung stehen bzw. aktiv genutzt werden.

Immer mehr Unternehmen scheinen das auch verstanden zu haben, schließlich wächst die Anzahl der Firmen, die zumindest ihre Websites an Mobilgeräte anpassen, stetig. Von Mobile Recruiting kann hier natürlich noch nicht gesprochen werden. Wobei laut potentialpark immerhin 23% der untersuchten deutschen Unternehmen eine „irgendwie geartete“ Form der Mobil-Bewerbung anbieten.

Eine häufig gestellte Frage ist stets die nach den Wünschen und Erwartungen von Jobsuchern an Mobile-Recruiting-Systeme. Einige der aktuellen potentialpark-Fakten dazu sehen so aus (wer mehr über die Erwartungshaltungen an „mobile“ erfahren möchte, dem sei dieser Artikel empfohlen):

  • 83% möchten sich mobil über ihre Entwicklungsmöglichkeiten informieren.
  • (Nur) 23% möchten mobil nach Stellen suchen.
  • 7% würden gern den aktuellen Status ihrer Bewerbung einsehen.

Spannende Zahlen, die man aber unbedingt in den richtigen Kontext (z.B. zu anderen Studien und weltweit-orientierten Untersuchungsergebnissen) setzen und vor dem potentialpark-Untersuchungsdesign betrachten sollte.

Unter dem Mobile-Strich bleibt:

„Mobile becomes standard. Mobile is a change in behavior. Don’t forget about tablets.“

Netter Fun-Fact am Rande: Mittlerweile gibt es erheblich mehr Android- als iOS-Nutzer. Dennoch ist die Mehrzahl der vorhandenen Karriere-Apps auf iOS-Basis … Wenn da mal nicht fein am Markt vorbei programmier wurde ;-)

 

Weiter ging es mit Ergebnissen zum Thema ATS, sprich Applicant Tracking Systems (z.B. SAP eRec, taleo, peopleclick etc.):

  • 43% der befragten User haben eine Online-Bewerbung bereits einmal vorzeitig abgebrochen.
  • Die Zeit, die eine Online-Bewerbung einnehmen darf, ist je nach Land/Kuktur unterschiedlich. Während die Franzosen 10-30 Minuten akzeptieren, ist für U.S.-Amerikaner eine Spanne von 15-45 Minuten vertretbar. Deutsche hingegen sind geduldiger Natur. 30-60 Minuten sind für sie in Ordnung.

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Für mich bedeutet das:

  • Unsere Online-Bewerbungssysteme sind zu kompliziert, unverständlich, (Usability-) technisch veraltet, und wenig Bewerber- als vielmehr Unternehmenszentriert.
  • Wir müssen uns am schwächsten Glied orientieren. In diesem Fall sind das die 10 Minuten Akzeptanzzeit der französischen Bewerber, wobei ich vermute, bei asiatischen Nutzern könnte diese noch geringer ausfallen.

potentialpark griff dann auch einige Punkte auf, wie man das Online-Bewerben einfacher und schneller machen könnte/kann:

  • Bewerben ohne Anlegen eines Profils/Accounts. Hier zeigte Continental eine entsprechende Lösung.
  • Daten-Import via LinkedIn, Xing, Facebook etc.. Machen einige Unternehmen bereits vor. Die Allianz Gruppe wird hier in Bälde nachziehen.
  • Mobiles Bewerben erlauben. Auch hier verweise ich nochmal nonchalant auf die Lösung der Allianz.

 

Im Anschluss gab es Facts & Figures zu Social Media im Employer Branding Kontext. Zwar zeigte potentialpark auch hier einige Zahlen, weitaus spannender fand ich jedoch Folgendes:

  • Bewerber wissen immer besser, was sie von welcher Plattform (an Informationen) erwarten können
  • Die 7 Todsünden in Social Media: gewöhnlich, langweilig, PR, One-Way-Commmunication, sporadisch, nur Jobs posten, unpersönlich.
  • „Be honest, transparent, simple and professional.“ (Zitat einer Studentin, die am Panel teilnahm)
  • „Bewerber lieben Video.“ (Zitat potentialpark)

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Ich denke, das kann man einfach mal so stehen lassen und auf die eigenen Social-Media-Aktivitäten projizieren.

 

Eine der aus meiner Sicht wichtigsten Teil-Studien ist das zu Corporate Career Websites. Hierzu gibt es zu berichten:

  • 83% der Jobsucher würden gern vor (!) ihrer Bewerbung mit einem Recruiter in Kontakt treten.
  • Immerhin 74% derjenigen, die sich bereits beworben haben, möchten dies auch.

Konsequent weitergesponnen heißt das für mich, …

  • … wir müssen unsere Recruiter noch stärker und von Beginn der „Candidate Journey“ einbeziehen. Sie sind der Erstkontakt, das Unternehmensgesicht, die Markenborschafter – und sollen es auch sein. Das setzt im Übrigen auch voraus, dass das „Berufsbild Recruiter“ als wertschöpfende Spezialisten-Funktion im Konzern etabliert, wahrgenommen und wertgeschätzt wird.
  • … wir müssen unsere Webseiten zu Dialog-Plattformen ausbauen. Das wirft neben rein technischen Änderungen auch Kappazitätsfragen auf.

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Weitere (mehr oder weniger neue) Erkenntnisse waren:

  • Es geht immer noch um Jobs auf der Karriere-Website. Bewerben beschäftigen sich meist erst dann mit dem Arbeitgeber-Content, sobald sie passende Positionen gefunden haben.
  • Eine große Baustelle ist nach wie vor, dass Unternehmensinfos, Videos (meist auf YouTube) und Jobs (auf einem extra Stellenmarkt) als drei Silos parallel nebeneinander stehen. Es gehe jedoch darum, alle drei miteinander zu verbinden. „This is where the magic happens.“ Naja, ich kann mir zwar noch mehr „Magic“ vorstellen, aber ok ;-)

Eine der für mich am relevantesten Infos war, dass Bewerber der Karriere-Webseite mehr Vertrauen entgegenbringen als Bewertungsplattformen wie kununu und Glassdoor sowie Social Networks à la Facebook. Ein wundervolles Argument, ein Großteil unserer Arbeitskraft (weiterhin) in unsere Web-Auftritte zu investieren.

 

Nach drei Kurz-Präsentationen und einem kleinen Panel von Jens Gehlen (Continental), Steffen Nork (Accenture) und mir, hatten wir am Nachmittag das Vergnügen, Marcus K. Reif von EY zu „Neue Wege durch Generation Y“ zu hören – einer kleinen Spitze gegenüber Sozialdemokraten inklusive ;-)

Marcus selbst hat über seinen Vortrag bereits gebloggt, daher beschränke ich mich auf das, was ich als Quintessenz mitnahm (lieber Marcus, korrigiere mich, falls ich falsch liege):

  • Selektion rein nach Biographie ist überholt.
  • Diejenigen mit einem vermeintlich „krummen Lebenslauf“ zeigen häufig mehr Leistungsorientierung.
  • Präsenz- und Leistungskulturdenken (wer länger bleibt, arbeitet mehr) kollidieren mit der Gen-Y-Realität.
  • Auswahl nach Potenzial und Talent muss im Vordergrund stehen.

Und dann brachte Marcus einen Satz ins Spiel, den ich ähnlich seit einem knappen Jahr selbst an den Anfang der meisten meiner internen Präsentationen stelle:

„Recruiting ist eine geschäftserfolg-kritische Disziplin in Unternehmen.“

Was daran so besonders ist? Wenn Sie so denken, dann sind sie schon weiter als viele deutsche Unternehmen, die Recruiting und vor allem Employer Branding nach wie vor eher als Kostenbringer sehen.

Marcus K. Reif_OTaC14

Wenn wir ernst genommen, in strategische Entscheidungsprozesse eingebunden und Kapazitäten ausbauen möchten, kommen wir um das „harte Messen“ unserer Recruitment- und Branding-Arbeit anhand trennscharfer KPIs nicht herum. Nicht das Business muss sich an uns orientieren, sondern wir an der Business-Realität.

Wie eben angedeutet, führe ich häufig, diesen Auszug aus einer BCG-Studie in meinen Präsentationen an:

„(…) companies adept at recruiting enjoyed 3.5 times the revenue growth and 2.0 times the profit margin of their less capable peers.“
Quelle: Boston Consulting Group (2012), From Capability to Profitability

Für Marcus bedeutet das auch: „Wir sollten daran arbeiten, unsere Fähigkeiten mehr in den Wertschöpfungsprozess einzubringen.“ Das führt letztlich nicht nur zu einem Wettbewerbsvorteil im war for talents, sondern in der Konsequenz zu mehr Umsatz und Gewinn.

Ganz richtig hielt er auch fest:

  • Gen Y hat heute statistisch ca. 12 Arbeitgeber. Gen Z wird wohl 20 haben.
  • Während also früher die Arbeit physisch im Unternehmen(sgebäude) verortet war, ist sie nun beim Arbeitnehmer angesiedelt, der dorthin geht, wo dessen Bedürfnisse am besten befriedigt werden.
  • Da Fluktuation jedoch ein erheblicher Kostentreiber ist, muss diese vermieden werden. Dazu gehört es, die Candidate Experience authentisch zu halten und entsprechendes Expectation Management zu betreiben.

Klingt für mich wieder stark nach den Theorien der Realistic Job Previews und des Person-Organization-Fit (vor Urzeiten habe ich darüber mal bei Jo Diercks als Gastautor gebloggt).

Zu guter letzt warf Marcus noch eine Frage auf. Weshalb fordern wir Bewerber auf unserem Webseiten immer auf, sich selbst in eine Gruppe zu selektieren (IT-Professional, Graduate, Schüler etc.)? Warum übernehmen nicht wir die Arbeit und sagen ihm, was er bei unseren Unternehmen machen und erleben kann – ganz aktiv und nicht in Form von Info-Texten.
BCG habe hierfür bereits ein interessantes Konzept parat: Auf deren Stellenmarkt findet man genau eine (!) Stellenanzeige – obwohl es natürlich weitaus mehr Jobs und Berufsprofile gibt.

 

Gegen Abend saßen dann noch einige Unternehmen gemeinsam mit dem potentialpark-Team zusammen, um über die Phase-2-Erhebungen zu sprechen und Schwerpunkte zu definieren. Besondere Augenmerke werden wir dabei auf diverse Fragestellungen zu den Themen

  • Mobile Recruiting
  • Videos
  • Experienced Hires
  • Recruiting in China, Brasilien, Indien
  • IT Professionals

legen. Themen, die meiner Ansicht nach die meisten Arbeitgeber interessieren (sollten).

Für mich hat sich, neben den Auszeichnungen für die Allianz Gruppe, die Reise nach Frankfurt wieder einmal gelohnt. Ich hoffe, ich konnte jedem, der nicht dabei sein konnte oder wollte zeigen, was dort tatsächlich passiert und worüber inhaltlich gesprochen wird.

Es bleibt festzuhalten: Wir haben alle noch viel zu tun …