Mobile Recruiting funktioniert …. (noch) nicht – oder warum Mobile Recruiting wie Opel ist
… unter diesem Titel haben Matthias Mäder und ich beim HR BarCamp 2014 eine Session zu unseren mehrjährigen Erfahrungen in Sachen Mobiles Bewerben gehalten. Ich berichtete dabei u.a. von den Lessons Learned, die ich im Zuge der Einführung des Allianz Mobile Recruitings in den vergangenen sechs Monaten gemacht habe. Ein Kern-Take-Away: Mobile Recruiting funktioniert (noch) nicht.
Und dieses in Klammern gesetzte „noch“ ist wichtig! Warum? Weil wir an den Nutzungsstatistiken klar herauslesen können, dass sich Bewerber mobile nach Stellen umsehen und sich auch mobil ein Profil im Bewerbungssystem anlegen. Sie gehen sogar weiter und bereiten ihre Bewerbungen mobil vor, um den Rest (z.B. Dokumente hochladen) dann vom heimischen Desktop-PC aus zu erledigen.
Nur die Zahlen zu den tatsächlich eingehenden mobil getätigten Bewerbungen enttäuschen (wen eigentlich? Angesichts der Berichterstattung nach der Session waren das wohl eher die Teilnehmer/die HR-Suppe). Der magere Bewerbungseingang per Mobilgerät unterliegt allerdings der bekannten Henne-Ei-Problematik. Es gibt noch nicht viele Recruiter (bei uns), die im Recruiter-Backend die entsprechende Option in der mobilen Stellenanzeige für eine Direktbewerbung freischalten. Per default ist in so einer Mobile Job Ad nämlich zunächst einmal nur der Button „Bewerbung vorbereiten“ enthalten.
Das heißt: Wo nicht viele mobilen Stellenanzeigen mit „Apply Directly“-Button, da noch nicht viele mobile Bewerbungen. Was für eine Überraschung!
Daraus ein „Allianz sagt, Mobile Recruiting funktioniert nicht“ zu machen, ist – sorry an den geneigten BILD-Leser – etwas zu kurz gegriffen und faktisch falsch.
Ganz und gar richtig ist jedoch, dass sowohl Bewerber als auch Recruiter und Hiring Manager umdenken müssen. Oder eher „umparken im Kopf“. So wie es die aktuelle Scholz & Friends Kampagne für Opel propagiert. Insofern haben Opel und Mobile Recruiting vieles gemeinsam: bei beiden Themen denken die Menschen an etwas, was eigentlich nicht zwingend der Realität entspricht bzw. haben ein diffuses Meinungsbild – gerade weil man sich damit bisher nie so richtig auseinandergesetzt hatte.
Nach einem Tweet von Henrik Zaborowski kam mir deshalb die Idee, aus dem (Allianz) Mobile Recruiting Ansatz und den damit verbundenen drei „Problemkindern“ (Bewerber, Recruiter, Hiring Manager) entsprechende #umparkenimkopf-Plakate zu basteln.
Das erste richtet sich an Kandidaten. Diese denken, dass eine Bewerbung unbedingt aus CV, Anschreiben, Zeugnissen usw. bestehen muss – gerade bei solch seriösen Unternehmen wie der Allianz. Nur ist das im Mobile Recruiting zu kurz gedacht. Hier würde mir die Angabe eines Aktuars, er habe jahrelang beim Wettbewerb gearbeitet genügen, um Kontakt mit ihm aufzunehmen. Den Lebenslauf kann ich mir im Nachgang immer noch ansehen. Zu Beginn genügt mir diese eine (!) Information. Im Falle der Allianz-Lösung muss ein Bewerber nur drei Dinge angeben: Telefonnummer, eine relevante Arbeitserfahrung und eine relevante Ausbildung.
Das zweite „Plakat“ ist für die Recruiter gedacht. Auch sie, gerade sie, müssen umdenken. Erhalte ich nämlich vom Kandidaten nur diese drei Informationen, muss ich aktiv(er) werden. Ich muss ihn anrufen und kann nicht erst in Ruhe sämtliche, hoffentlich vollständigen Bewerbungsunterlagen ansehen und dann entscheiden, wie ich mit ihm weiter verfahren möchte.
Nicht zu vergessen sind auch die Hiring Manager. Sie bestehen (zu Recht) häufig darauf, das gesamte Profil eines Bewerbers einzusehen – das ist mit den mobil eingepflegten Daten nicht möglich. Insofern ist hier die Frage: Sollten sie sich bei mobilen Bewerbungen an den Gedanken gewöhnen, weniger Infos als früher zu erhalten? Oder sollte nicht eher der Recruiter einen Schritt zuvor die entsprechende Selektion gestartet haben, um dem Hiring Manager dann ein eben doch vollständiges Profil eines Bewerbers zu übergeben?
Anstatt also zu schreiben, Mobile Recruiting funktioniere nicht, wäre ein weitaus besseres Mitbringsel der Session gewesen: Alle Stakeholder im Mobile-Recruiting-Prozess müssen sich umstellen. Die EINE Mobile-Recruiting-Lösung gibt es indes nicht. Wir werden je nach Land und Zielgruppe vollkommen unterschiedliche Ansätze sehen – pro Unternehmen versteht sich!
P.S. Ein dickes Sorry an Scholz & Friends sowie Opel an das dreiste „Klauen“ der Plakat-Idee und deren auch noch schlechte Umsetzung (es lebe PowerPoint und Vorschau …). Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel. Obwohl ich bei einem Versicherungs- und Finanzdienstleister arbeite, bin ich (noch) nicht im Besitz einer Rechtsschutzversicherung …
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Die Daten- oder Unterlagen-Sammelwut rührt auch daher, dass manch Recruiter zu fein ist, mal mit dem Kandidaten zu telefonieren, bevor die Bewerbungs-Arie angeschoben wird. Lieber alle Unterlagen auf den Tisch, alles unvollständige sofort ablehnen, alles unverständliche nach der ersten Sichtung. Kreuze in die Statistik bei ‚Bewerber ungeeignet‘ – Mission accomplished.
Das Recruiting der Service-Kräfte für das Restaurant meiner besseren Hälfte funktioniert seit Jahren so, wie Dominik es beschreibt: Telefonnummer, eine relevante Arbeitserfahrung.
Exkurs > Ausbildung nachweisen ist schwierig, da es sich um chinesisch sprechende Service-Kräfte handelt – Fachkräftemangel :) Die Leute ‚lernen im Job‘. <
Der Weg des Kandidaten: Kurzes Telefonat. Eventuell Einladung zum persönlichen Gespräch. Eventuell Probe-Arbeit. Eventuell Mitarbeit im Team. That's the candidate's journey.
Könnte jeder so machen, wenn er denn wollte. Ja, ja, jetzt kommt mir nicht mit 867 Bewerbungen. 99,7% Eurer Stellen-Ausschreibungen bekommen eine übersichtliche Anzahl an Bewerbern.
Fangt mal an, zu arbeiten ;-)
– Hans Steup, Berlin
– Mobbing-Guerilla –
PS: Mir gefällt der mobile Ansatz der Allianz. Als Recruiter wäre ich jeden Morgen dankbar für das Feature.
Lieber Dominik, eine sehr coole Reaktion & Idee von Dir! Hut ab! Da freue ich mich ja schon fast wieder, ein wenig der „Schuldige“ zu sein, der diese Reaktion mit ausgelöst hat. Und Du hast vollkommen recht, das „noch“ ist die entscheidene Kompenente. Ein wenig zur Entschuldigung meinerseits muss ich aber auch sagen, dass ich selber genau Dein Fazit auch in meinem blogpost gezogen habe. Also, super Aktion! Herzlichen Gruß, Henrik
Hi Hendrik,
um Gottes willen – hier ist doch niemand schuld :-) Ich muss mich eher bei dir bedanken. Ohne deinen Anstoß hätte ich gar nichts dazu geschrieben. Aber nach deinem Tweet hatte ich sofort die Plakate im Kopf … und klar, du als Experte in Sachen Mobile Recruiting weißt natürlich so gut wie ich, dass das mobile Bewerben natürlich nicht tot ist!
Gruß,
Dominik
Hallo Dominik,
ich stimme Dir in jedem Punkt zu. Solange die Bewerber glauben, Unternehmen würden von ihnen dies und jenes im Rahmen einer Bewerbung erwarten, solange werden sie sich kaum mobil bewerben. Schließlich soll die Bewerbung ja erfolgreich sein, sonst könnte ich mir die sparen.
„Funktioniert nicht“ – das ist die alte Unternehmensdenke nach dem Motto „wir Unternehmen bieten das an, also nutzt das jetzt auch“. „Funktioniert nicht“ bedeutet aber oft, dass an der Zielgruppe vorbei gedacht wurde. Dein „funktioniert (noch) nicht“ finde ich richtig. Die Unternehmen müssen den Bewerbern nicht nur signalisieren, dass Mobile Recruiting technisch (gelegentlich) möglich ist, sondern dass solche Bewerbungen auch erwünscht sind. Für die Bewerber Klarheit schaffen – dann funktioniert es auch.
Beste Grüße, Helge
„…..Das erste richtet sich an Kandidaten. Diese denken, dass eine Bewerbung unbedingt aus CV, Anschreiben, Zeugnissen usw. bestehen muss –…..“
So steht es in praktisch jeder Stellenanzeige als MUSS Kriterium, dass sie überhaupt Beachtung findet mehr oder weniger direkt auch geschrieben.
Hi Leo,
danke für deinen Beitrag.
Und ja, du hast absolut recht. In den meisten Stellenanzeigen steht das. Warum? Genau deshalb, weil Recruiter eben eine vollständige Bewerbung mit allem Drum und Dran haben möchten. Das wird bei Mobile Recruiting aber nicht oder nur bedingt funktionieren. Ich bin mir jedoch sicher: Nimmt der Leidensdruck zu, sprich wird das Staffing schwieriger, wird sich das ganz schnell ändern …
Gruß,
Dominik
In Dominiks Vortrag kam heraus, dass nicht nur die Kandidaten zögern mit einer mobilen Bewerbung, sondern auch die meisten der 700 Recruiter der Allianz. Diese müssen die ‚one-click‘-Bewerbung je Stellenausschreibung freischalten und tun das selten.
Es sind also nicht immer nur ‚die anderen‘ ;-)
– Hans Steup, Berlin
Hallo Dominik,
super Artikel! Da wohl die Kommentatoren vor mir so ziemlich alles dazu schon gesagt haben, werfe ich nur mal ein Zitat rein, was mir zum Thema passend eingefallen ist:
„Die größte Schwierigkeit der Welt besteht nicht darin, Leute zu bewegen, neue Ideen anzunehmen, sondern alte zu vergessen.“ (John Maynard Keynes)
Viele Grüße, Christoph
Auf jeden Fall ein sehr interessanter Ansatz zum Mobile Recruitment! Und ich denke auch, dass sich die Bewerber nichts anderes trauen werden, solange die Firmen keinen Schritt auf sie zu machen. Dann hätte Mobiles Recruitment sicher auch eine andere Zukunft.