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Potentialpark Award Ceremony 2014 – der Nachbericht

10. Februar 2014

Am 04. Februar 2014 fand in der Frankfurt School of Finance die diesjährige Verleihung der deutschen und europäischen potentialpark-Awards statt. Ich war wieder einmal vor Ort. Zum einen weil es für die Allianz Gruppe einige Auszeichnungen gab, zum anderen aber auch wegen der erhellenden Fakten zu den Themen Karriere-Webseite, Mobile Recruiting, ATS und Social Media. Ebenfalls lohnenswert war die Reise wegen der Vorbesprechung zu den Phase-2-Untersuchungen. Neben den Ranking-Insights ist das für mich der eigentliche Benefit der Studien.

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Bisweilen habe ich den Eindruck, genau diese qualitativen, und sehr auf das jeweilige Unternehmen zugeschnittene Untersuchung, wird in den häufig arg populistisch geführten Debatten um potentialpark gänzlich vernachlässigt oder sind gar unbekannt.

Kommen wir daher zu einigen Erkenntnissen des gestrigen Tages. Basis der folgenden Zahlen ist ein Befragungspanel von knapp 24.000 Studierenden.

 

Los ging’s mit Infos zum aktuellen und auch zukünftigen Must-act-on-Thema „Mobile“:

  • 24% der deutschen Bewerber nutzen Mobilgeräte, um Karriere-bezogene Inhalte zu konsumieren. In China, wen wundert es, sind es 53% und den USA > 40%.
  • Konkret auf Karriere-Websites bezogen, haben bereits 48% der Jobsucher mit Smartphone und 75% (!) derjenigen mit Tablet eine solche Seite besucht.
  • Bislang haben 59% der in Deutschland untersuchten Unternehmen (n = 147) mobil-optimierte Karriere-Webseiten.

mobiltalent_2014_200

Was bedeutet das?
Nun, als global agierendes Unternehmen kommt man mit Blick auf diese Zahlen nicht um mobilfähige Webseiten herum. Gerade der asiatische, und in Zukunft auch der afrikanische Bewerbermarkt zeichnen sich bereits jetzt durch die massive Nutzung von Mobilgeräten – auch im Karriere-Kontext – aus oder werden dies tun. Bisweilen sind Smartphone und/oder Tablet die einzigen Internet-Gerätschaften, die zur Verfügung stehen bzw. aktiv genutzt werden.

Immer mehr Unternehmen scheinen das auch verstanden zu haben, schließlich wächst die Anzahl der Firmen, die zumindest ihre Websites an Mobilgeräte anpassen, stetig. Von Mobile Recruiting kann hier natürlich noch nicht gesprochen werden. Wobei laut potentialpark immerhin 23% der untersuchten deutschen Unternehmen eine „irgendwie geartete“ Form der Mobil-Bewerbung anbieten.

Eine häufig gestellte Frage ist stets die nach den Wünschen und Erwartungen von Jobsuchern an Mobile-Recruiting-Systeme. Einige der aktuellen potentialpark-Fakten dazu sehen so aus (wer mehr über die Erwartungshaltungen an „mobile“ erfahren möchte, dem sei dieser Artikel empfohlen):

  • 83% möchten sich mobil über ihre Entwicklungsmöglichkeiten informieren.
  • (Nur) 23% möchten mobil nach Stellen suchen.
  • 7% würden gern den aktuellen Status ihrer Bewerbung einsehen.

Spannende Zahlen, die man aber unbedingt in den richtigen Kontext (z.B. zu anderen Studien und weltweit-orientierten Untersuchungsergebnissen) setzen und vor dem potentialpark-Untersuchungsdesign betrachten sollte.

Unter dem Mobile-Strich bleibt:

„Mobile becomes standard. Mobile is a change in behavior. Don’t forget about tablets.“

Netter Fun-Fact am Rande: Mittlerweile gibt es erheblich mehr Android- als iOS-Nutzer. Dennoch ist die Mehrzahl der vorhandenen Karriere-Apps auf iOS-Basis … Wenn da mal nicht fein am Markt vorbei programmier wurde ;-)

 

Weiter ging es mit Ergebnissen zum Thema ATS, sprich Applicant Tracking Systems (z.B. SAP eRec, taleo, peopleclick etc.):

  • 43% der befragten User haben eine Online-Bewerbung bereits einmal vorzeitig abgebrochen.
  • Die Zeit, die eine Online-Bewerbung einnehmen darf, ist je nach Land/Kuktur unterschiedlich. Während die Franzosen 10-30 Minuten akzeptieren, ist für U.S.-Amerikaner eine Spanne von 15-45 Minuten vertretbar. Deutsche hingegen sind geduldiger Natur. 30-60 Minuten sind für sie in Ordnung.

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Für mich bedeutet das:

  • Unsere Online-Bewerbungssysteme sind zu kompliziert, unverständlich, (Usability-) technisch veraltet, und wenig Bewerber- als vielmehr Unternehmenszentriert.
  • Wir müssen uns am schwächsten Glied orientieren. In diesem Fall sind das die 10 Minuten Akzeptanzzeit der französischen Bewerber, wobei ich vermute, bei asiatischen Nutzern könnte diese noch geringer ausfallen.

potentialpark griff dann auch einige Punkte auf, wie man das Online-Bewerben einfacher und schneller machen könnte/kann:

  • Bewerben ohne Anlegen eines Profils/Accounts. Hier zeigte Continental eine entsprechende Lösung.
  • Daten-Import via LinkedIn, Xing, Facebook etc.. Machen einige Unternehmen bereits vor. Die Allianz Gruppe wird hier in Bälde nachziehen.
  • Mobiles Bewerben erlauben. Auch hier verweise ich nochmal nonchalant auf die Lösung der Allianz.

 

Im Anschluss gab es Facts & Figures zu Social Media im Employer Branding Kontext. Zwar zeigte potentialpark auch hier einige Zahlen, weitaus spannender fand ich jedoch Folgendes:

  • Bewerber wissen immer besser, was sie von welcher Plattform (an Informationen) erwarten können
  • Die 7 Todsünden in Social Media: gewöhnlich, langweilig, PR, One-Way-Commmunication, sporadisch, nur Jobs posten, unpersönlich.
  • „Be honest, transparent, simple and professional.“ (Zitat einer Studentin, die am Panel teilnahm)
  • „Bewerber lieben Video.“ (Zitat potentialpark)

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Ich denke, das kann man einfach mal so stehen lassen und auf die eigenen Social-Media-Aktivitäten projizieren.

 

Eine der aus meiner Sicht wichtigsten Teil-Studien ist das zu Corporate Career Websites. Hierzu gibt es zu berichten:

  • 83% der Jobsucher würden gern vor (!) ihrer Bewerbung mit einem Recruiter in Kontakt treten.
  • Immerhin 74% derjenigen, die sich bereits beworben haben, möchten dies auch.

Konsequent weitergesponnen heißt das für mich, …

  • … wir müssen unsere Recruiter noch stärker und von Beginn der „Candidate Journey“ einbeziehen. Sie sind der Erstkontakt, das Unternehmensgesicht, die Markenborschafter – und sollen es auch sein. Das setzt im Übrigen auch voraus, dass das „Berufsbild Recruiter“ als wertschöpfende Spezialisten-Funktion im Konzern etabliert, wahrgenommen und wertgeschätzt wird.
  • … wir müssen unsere Webseiten zu Dialog-Plattformen ausbauen. Das wirft neben rein technischen Änderungen auch Kappazitätsfragen auf.

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Weitere (mehr oder weniger neue) Erkenntnisse waren:

  • Es geht immer noch um Jobs auf der Karriere-Website. Bewerben beschäftigen sich meist erst dann mit dem Arbeitgeber-Content, sobald sie passende Positionen gefunden haben.
  • Eine große Baustelle ist nach wie vor, dass Unternehmensinfos, Videos (meist auf YouTube) und Jobs (auf einem extra Stellenmarkt) als drei Silos parallel nebeneinander stehen. Es gehe jedoch darum, alle drei miteinander zu verbinden. „This is where the magic happens.“ Naja, ich kann mir zwar noch mehr „Magic“ vorstellen, aber ok ;-)

Eine der für mich am relevantesten Infos war, dass Bewerber der Karriere-Webseite mehr Vertrauen entgegenbringen als Bewertungsplattformen wie kununu und Glassdoor sowie Social Networks à la Facebook. Ein wundervolles Argument, ein Großteil unserer Arbeitskraft (weiterhin) in unsere Web-Auftritte zu investieren.

 

Nach drei Kurz-Präsentationen und einem kleinen Panel von Jens Gehlen (Continental), Steffen Nork (Accenture) und mir, hatten wir am Nachmittag das Vergnügen, Marcus K. Reif von EY zu „Neue Wege durch Generation Y“ zu hören – einer kleinen Spitze gegenüber Sozialdemokraten inklusive ;-)

Marcus selbst hat über seinen Vortrag bereits gebloggt, daher beschränke ich mich auf das, was ich als Quintessenz mitnahm (lieber Marcus, korrigiere mich, falls ich falsch liege):

  • Selektion rein nach Biographie ist überholt.
  • Diejenigen mit einem vermeintlich „krummen Lebenslauf“ zeigen häufig mehr Leistungsorientierung.
  • Präsenz- und Leistungskulturdenken (wer länger bleibt, arbeitet mehr) kollidieren mit der Gen-Y-Realität.
  • Auswahl nach Potenzial und Talent muss im Vordergrund stehen.

Und dann brachte Marcus einen Satz ins Spiel, den ich ähnlich seit einem knappen Jahr selbst an den Anfang der meisten meiner internen Präsentationen stelle:

„Recruiting ist eine geschäftserfolg-kritische Disziplin in Unternehmen.“

Was daran so besonders ist? Wenn Sie so denken, dann sind sie schon weiter als viele deutsche Unternehmen, die Recruiting und vor allem Employer Branding nach wie vor eher als Kostenbringer sehen.

Marcus K. Reif_OTaC14

Wenn wir ernst genommen, in strategische Entscheidungsprozesse eingebunden und Kapazitäten ausbauen möchten, kommen wir um das „harte Messen“ unserer Recruitment- und Branding-Arbeit anhand trennscharfer KPIs nicht herum. Nicht das Business muss sich an uns orientieren, sondern wir an der Business-Realität.

Wie eben angedeutet, führe ich häufig, diesen Auszug aus einer BCG-Studie in meinen Präsentationen an:

„(…) companies adept at recruiting enjoyed 3.5 times the revenue growth and 2.0 times the profit margin of their less capable peers.“
Quelle: Boston Consulting Group (2012), From Capability to Profitability

Für Marcus bedeutet das auch: „Wir sollten daran arbeiten, unsere Fähigkeiten mehr in den Wertschöpfungsprozess einzubringen.“ Das führt letztlich nicht nur zu einem Wettbewerbsvorteil im war for talents, sondern in der Konsequenz zu mehr Umsatz und Gewinn.

Ganz richtig hielt er auch fest:

  • Gen Y hat heute statistisch ca. 12 Arbeitgeber. Gen Z wird wohl 20 haben.
  • Während also früher die Arbeit physisch im Unternehmen(sgebäude) verortet war, ist sie nun beim Arbeitnehmer angesiedelt, der dorthin geht, wo dessen Bedürfnisse am besten befriedigt werden.
  • Da Fluktuation jedoch ein erheblicher Kostentreiber ist, muss diese vermieden werden. Dazu gehört es, die Candidate Experience authentisch zu halten und entsprechendes Expectation Management zu betreiben.

Klingt für mich wieder stark nach den Theorien der Realistic Job Previews und des Person-Organization-Fit (vor Urzeiten habe ich darüber mal bei Jo Diercks als Gastautor gebloggt).

Zu guter letzt warf Marcus noch eine Frage auf. Weshalb fordern wir Bewerber auf unserem Webseiten immer auf, sich selbst in eine Gruppe zu selektieren (IT-Professional, Graduate, Schüler etc.)? Warum übernehmen nicht wir die Arbeit und sagen ihm, was er bei unseren Unternehmen machen und erleben kann – ganz aktiv und nicht in Form von Info-Texten.
BCG habe hierfür bereits ein interessantes Konzept parat: Auf deren Stellenmarkt findet man genau eine (!) Stellenanzeige – obwohl es natürlich weitaus mehr Jobs und Berufsprofile gibt.

 

Gegen Abend saßen dann noch einige Unternehmen gemeinsam mit dem potentialpark-Team zusammen, um über die Phase-2-Erhebungen zu sprechen und Schwerpunkte zu definieren. Besondere Augenmerke werden wir dabei auf diverse Fragestellungen zu den Themen

  • Mobile Recruiting
  • Videos
  • Experienced Hires
  • Recruiting in China, Brasilien, Indien
  • IT Professionals

legen. Themen, die meiner Ansicht nach die meisten Arbeitgeber interessieren (sollten).

Für mich hat sich, neben den Auszeichnungen für die Allianz Gruppe, die Reise nach Frankfurt wieder einmal gelohnt. Ich hoffe, ich konnte jedem, der nicht dabei sein konnte oder wollte zeigen, was dort tatsächlich passiert und worüber inhaltlich gesprochen wird.

Es bleibt festzuhalten: Wir haben alle noch viel zu tun …

5 Kommentare leave one →
  1. 10. Februar 2014 8:22 am

    Hi Dominik, ich habe vor kurzem in einem Artikel meiner Reihe zu „guten“ Karriere-Websites auch mal das sich (leider) hartnäckig haltende Missverständnis hinsichtlich der Potentialpark-Methodik aufgegriffen. Der eigentliche Nutzen liegt definitiv „jenseits des Rankings“… http://blog.recrutainment.de/2014/01/28/karriere-websites-darauf-kommt-es-an-teil-3-was-sind-elemente-guter-karriere-websites-heute-blogs/

    • Dominik permalink
      10. Februar 2014 10:56 am

      HI Jo,

      danke für deine Anmerkung. Dein Blog-Artikel dazu ist mir doch tatsächlich irgendwie durch die Lappen gegangen. Kann dem aber nur zustimmen. Natürlich sollte man die Methodik hinterfragen und Kritik ist in diesem Zusammenhang auch durchaus angebracht. Aber wie du selbst sagst: die Feature-Liste kann ein sehr guter Leitfaden für die eigene Arbeit sein.

      vg
      Dominik

  2. 10. März 2014 4:20 pm

    Es ist ja echt schwer mit den ganzen technischen neuerungen und dem immer neuen Verhalten der nachkommenden generationen mitzukommen. Mein kleiner Bruder der nun Abitur macht benutzt z.B. gar kein facebook mehr da es ihn nervt. Er kommuniziert nur noch via Handy. Diese Generation muss man voll dort ansprechen. Deshalb haben wir nun auch unser HR outgesourced da man eimnfach einen Haufen Erfahrung für gutes HR braucht.

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